Übergabebahnhof und Rangier-Gedankenspiele

30.05.2008 00:39
avatar  Rainer
#1 Übergabebahnhof und Rangier-Gedankenspiele
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Hallo Freunde der Anlagenplanung

Heute will ich Euch mal den Übergabebahnhof meiner in Planung befindlichen Anlage vorstellen.
Das Thema der Anlage lautet: Eingleisige schmalspurige Kleinbahn mit angeschlossenem regelspurigen Hauptbahnnetz. Das Ganze übrigens in 0e. Über den Anlagen-Entwurf und die Ideen dahinter berichte vielleicht später mal.

Zurück zum Übergabebahnhof. Der Gleisplan sieht so aus:

Es stehen ein Umfahrgleis, zwei Ladegleise, ein Abstellgleis und ein Lokschuppengleis zur Verfügung. Die Gleisausstattung ist nicht gerade üppig, aber ausreichend. Und ich muss nur sechs Weichen bauen.
Die Bahnhofsgrenze stellt der Kanal dar. Dies hat seine Ursache in meinen bescheidenen Platzverhältnissen: der nächste Bahnhof beginnt nur eine gute Zuglänge hinter der Brücke.

Wenden wir uns den Gleisen im Einzelnen zu:
Gl. 1a: Der ehemalge Lokschuppen dient jetzt zum Unterstellen eines Personenwagens.
Gl. 1: Bahnsteiggleis
Gl. 1b: Kaigleis zur Beladung der Schuten mit Ton
Gl. 2a/2: Umfahrgleis
Gl. 3a: Übergabegleis Schmalspur-Normalspur und umgekehrt
Gl. 3b: Abstellgleis

Die drei Stumpfgleise sind gut bedienbar:
- Kaigleis 1b mit Bahnsteiggleis 1 als Ausziehgleis und dem Streckengleis zum Rangieren
- Übergabegleis 3a mit dem Streckengleis als Ausziehgleis und den Gleisen 1 und 2 zum Rangieren
- Abstellgleis 3b mit Übergabegleis 3a als Ausziehgleis und dem Streckengleis zum Rangieren (die Wagen aus dem Übergabegleis 3a können vorübergehend in Gl. 1 oder 2 abgestellt werden)

Als (Bahnhofs-)Gleisplaner bin ich echt gut!
Denk ich doch.
Oder?

Nach den Überlegungen von oben müsste der Bahnhof betriebstauglich sein.
Hoppla, jetzt ist es mir auch herausgerutscht, dieses "müsste gehen", das oft in den Foren zu lesen ist. Meistens heißt das im Klartext: Ich habe keinen blassen Schimmer, ob mein schlauer Ratschlag, den ich mal irgendwo aufgeschnappt habe und hier ungefiltert weitergebe, in der Praxis auch nur ansatzweise funktioniert.

Deshalb: Für meinen Bahnhof ist "müsste gehen" nicht gut genug. Ich will wissen, dass es geht!
Aber wie finde ich das heraus? Am einfachsten im Kopf mit dem Gleisplan vor Augen.
Nach einigen Versuchen regen sich erste Zweifel: Einfache Rangieraufgaben sind kein Problem; was aber, wenn die Sache komplizierter wird? Um sicher zu gehen könnte ich z.B. meine alte Märklin-Bahn hervorkramen und es dann quasi in 1:1 ausprobieren; schließlich besitze ich sogar eine Minex-Lok. Der Aufwand ist mir aber zu groß und deshalb versuche ich es auf dem Papier, bzw. Rechner:

Die Grundstellung der Wagen ist durch den Plan vorgegeben. Natürlich könnte ich die Aufstellung der Wagen ändern, aber im wahren Leben würde ich ja auch irgendeine Situation vorfinden. Also müssen die Wagen jetzt nur noch Zielen zugeordnet werden. Damit es übersichtlich ist, benutze ich Farben:
- blau ist das Übergabegleis 3a
- pink ist das Abstellgleis 3b
- gelb ist der Gegenzug

Die Zuordnung der Wagen zu den Zielen erfolgt zufällig. Es sollen aber alle Möglichkeiten dabei sein, um die Betriebstauglichkeit des Bahnhofes prüfen zu können. Das Kaigleis 1b bleibt außen vor, da dieses Gleis mit Ton-Ganzzügen bedient wird - und das ist eine ganz andere Geschichte.

Apropos Züge: Für den allgemeinen Güterverkehr gibt es einen Gmp und einen reinen Güterzug. Der Packwagen läuft bei allen Güterzügen am Zugschluss. Diese Bestimmung stammt noch aus der Zeit, als auf der Bahn hauptsächlich Tonzüge mit schwer beladenen kleinen zweiachsigen O-Wagen fuhren. Offenbar traute man den Kupplungen nicht so ganz, außerdem diente der Packwagen als zusätzlicher Bremswagen. Das gilt heute für die Tonzüge natürlich immer noch.

Aber jetzt geht es endlich los:

In Abb. 1 ist ein Güterzug ins Gl. 2 eingefahren. Es befinden sich zwei Wagen für die Übergabe (einer mit Grubenholz und einer mit Ziegelsteinen) und ein leerer Wagen für das Abstellgleis im Zug. Nach der Ankunft umfährt die Lok ihren Zug, um den Packwagen abzuziehen und auf Gl. 1 abzustellen (Abb. 2).

Das hat zwei Gründe:
1. ist der Packwagen für den Gegenzug ebenfalls am Zugschluß einzureihen, d.h. die Wagen des Gegenzuges müssen jetzt nur noch davorgesetzt werden,
2. ist er damit aus dem Weg und muss nicht ständig mit bewegt werden.

Um Platz für die gerade angekommenen Wagen zu schaffen, muss das Übergabegleis von allen Wagen "befreit" werden, die sowieso woanders hin sollen. Im Übergabegleis stehen fünf Wagen: zwei sind in den Gegenzug einzureihen, einer geht auf das Abstellgleis und zwei Wagen sollen da bleiben, wo sie sind. Um die Wagen zu sortieren, zieht sie die Lok auf das Streckengleis (Abb. 3).

Die Wagen für den Gegenzug werden zweckmäßigerweise im Gl. 1 gesammelt (wo schon der Packwagen steht), die Wagen für das Abstellgleis in Gl. 2 (Abb. 4).
Das Bilden von Wagen-Gruppen erleichtert das Rangieren; macht das Vorbild auch so.

Danach landen die abzustellenden Wagen ebenfalls auf Gl. 1 (Abb. 5) und die beiden "blauen" Wagen werden ins Übergabegleis 3a rangiert.

Damit wären (fast) alle Arbeiten erledigt, um das Übergabegleis 3a zu bedienen. In Abb. 6 ist dieser Zeitpunkt dargestellt.

Als nächstes ist das Abstellgleis dran. Es müssen nur die Wagen von Gl. 3b, äh, oder Gl. 3a, äh - nee, geht auch nicht. Zumindest nicht so ohne weiteres. Nach einigem Tüfteln habe ich eine Möglichkeit gefunden.
Bei unserem großen Vorbild wird beim Rangieren aber nicht getüftelt; das würde zu lange dauern und nicht alle Mitarbeiter sind Rätselfreunde. Das gilt übrigens auch für Modellbahner. Einfache Lösungen sind deshalb immer zu bevorzugen, auch wenn es Leute gibt, die den Timesaver von John Allen allen Ernstes für einen guten Bahnhofsentwurf halten. Der Meister selbst hat das übrigens nicht getan, sondern den Timesaver immer als das betrachtet, als das er ihn entworfen hat: als ein reines Rangierspiel!
Und damit keiner auf die Idee kommt, es handelt sich bei diesem Beitrag um ein Rangierrätsel, hier meine Lösung:


Soweit der erste Teil, gleich geht's weiter (nach der Werbung).


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30.05.2008 01:04
avatar  Rainer
#2 RE: Übergabebahnhof und Rangier-Gedankenspiele
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Willkommen zum zweiten Teil!

Zurück zu meinem Bahnhof. Die Bedienung von Abstellgleis 3b ist extrem umständlich und unter bestimmten Bedingungen überhaupt nicht möglich.

Was tun? Ganz einfach: Man verlege die Weiche zwischen dem Übergabegleis 3a und dem Abstellgleis 3b ins Gleis 2 (endlich habe ich einen eigenen Hosenträger, wenn auch keinen vollständigen).
Wie komme ich darauf? Ganz einfach: Indem ich mich frage, wo ich jetzt am Liebsten eine Weichenverbindung ins Abstellgleis 3b hätte.

Das ist im Grunde trivial, und vielleicht habt Ihr schon ganz zu Anfang bei der Vorstellung des Gleisplanes erkannt, dass es hier Probleme geben wird und über diese oder eine andere Lösung nachgedacht.
Ich habe sie wirklich erst durch die hier beschriebenen Gedankengänge und Bilder gefunden. Taucht so ein Problem erst auf der fertigen Anlage im Betrieb auf, kann das nur mit großem Aufwand korrigiert werden. Besonders dann, wenn mit dem Betrieb erst auf der komplett durchgestalteten Anlage begonnen wird (Meiner Meinung nach der größte Fehler, den man beim Anlagenbau überhaupt machen kann). Der Aufwand für die Bilder ist dagegen lächerlich gering. Und es macht Spaß. Und man weiß hinterher, dass es nicht nur "vielfältige Rangiermöglichkeiten" gibt (auch so ein beliebter Spruch...), sondern dass sie auch funktionieren.

Abermals zurück zu meinem Bahnhof. Mit dieser kleinen Änderung kann der Rest der Wagen relativ problemlos in die vorgesehenen Positionen rangiert werden. Als Erstes werden die beiden Wagen, die hinten im Abstellgleis 3b stehen, ausrangiert (Abb. 7 und 8).


Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, das der gelbe und blaue Wagen die Position getauscht haben. Als ich die Abbildungen gemacht habe, hielt ich das für eine gute Idee, weil dann alle Wagen gleich in der richtigen Reihenfolge stehen. Notwendig ist das aber nicht.

Anschließend drückt die Lok die "pinken" Wagen ins Streckengleis (Abb. 9), um sie dann ins Abstellgleis zu bringen (Abb. 11).




Nachdem die Lok alle Wagen ins Gl. 1 geholt hat (Abb. 13), umfährt sie die Wagen und schiebt den Kesselwagen ins Übergabegleis 3a (Abb. 15).





Zum Schluss setzt sich die Lok vor den neu gebildeten Zug (Abb. 16). Fertig!


Und damit ist auch dieser Beitrag fertig; lang genug ist er geworden. Aber vielleicht hat es Euch trotzdem interessiert dabei gewesen zu sein, wie ich einen Planungsfehler bei meinem Bahnhof gefunden und beseitigt habe. Und zwar bevor er gebaut wurde.

Über Kommentare von Euch würde ich mich freuen.

Rainer


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01.06.2008 09:51
#3 RE: Übergabebahnhof und Rangier-Gedankenspiele
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nice site - good job, alter Wohlfühlfreund!

Im ernst: mir schwirrt der Kopf und ich musste ein paar mal rauf- u. runterscrollen. Aber dann hatte sogar ich es verstanden. Sehr hilfreich waren die Farbmarkierungen!
Dein Rangierspiel ist natürlich schon sehr anspruchsvoll und die Auslastung Deines kleinen Bhf wohl maximal. Das macht es erstmal schwierig sich da rein zu finden. Natürlich bleiben die grundsätzlichen Fragen der Bedienbarkeit (hier v.a. Gl 3a u. b) auch bei geringerem Wagenaufkommen die selben.
Übrigens auch eine prima Sache Gäste zu beschäftigen, während man selber derweil den Wocheneinkauf macht (Anfassen verboten!)...

Ganz nebenbei wurde mir klar, dass ich dringend ähnliche Planspiele aufzustellen habe, bevor ich mich an den Bau meines Modulbahnhofes mache...

Dabei kommt die Frage auf, welche (leicht erlernbaren!) Programme für solcherlei Planspiele geeignet sind. Dies ist ein Teilbereich des Hobbys, mit dem ich mich bis heute überhaupt nicht beschäftigt habe, ebenso wenig mit Grafikprogrammen im allgemeinen - könnte dies evtl. ein eigenständiges Thema in diesem Forum werden?

Liebe Grüße

Michael


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01.06.2008 17:50 (zuletzt bearbeitet: 01.06.2008 17:52)
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#4 RE: Übergabebahnhof und Rangier-Gedankenspiele
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HFy
Hallo Rainer,

Zum Rangieren ist Version 2 praktischer, aber ich vermute, daß das Vorbild es so wie in Version 1 gemacht hätte. Dadurch wäre eine Kreuzung eingespart worden, und die Weiche zu dem Abstellgleis hätte nicht im Hauptgleis gelegen, wo sie stärker abgenutzt wird. Die Kleinbahnen hätten eben jeden Pfennig dreimal umgedreht, wenn er drei Seiten gehabt hätte.
Allerdings sind beim Vorbild die Gleise meistens etwas länger als auf der Modellbahn, und es stehen nicht immer so viele Wagen darauf herum. Außerdem wird gelegentlich auch schon mal mit dem Seil rangiert, was die Sache manchmal vereinfacht.
Noch eine Bitte: in solchen Fällen einen Gleisplan mit Gleisnumerierung beifügen, ich habe mich zunächst schwergetan, den Text den Bildern zuzuordnen.

Herbert

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01.06.2008 23:23
avatar  Rainer
#5 RE: Übergabebahnhof und Rangier-Gedankenspiele
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Hallo Michael, hallo Herbert,

ersteinmal finde ich es schön, dass Ihr Euch durch meinen Beitrag gearbeitet habt.
Nachdem ich ihn hier eingestellt hatte, plagten mich doch arge Zweifel ob der Les- und Verstehbarkeit dieses Werkes. Und die "didaktischen" Fehler wurden dann natürlich auch offensichtlich. Den Hauptpunkt hat Herbert genannt: Es fehlen die Gleisnummern. Das werde ich demnächst für den ursprünglichen Gleisplan korrigieren; bei den Rangier-Abb. ist das aber zuviel Aufwand. Am Besten liest sich der Artikel in der gedruckten Form, das erspart das Scrollen und man hat alles im Blick.

Michael, stimmt, der Bahnhof ist bis zur Grenze ausgelastet. Ich habe versucht, möglichst viele Lademöglichkeiten in möglichst wenig Platz zu quetschen, um einen Fiddleyard zu umgehen. Einen "richtigen" Bahnhof ziehe ich einem Fiddleyard vor, wenn es irgendwie möglich ist. Das bedeutet natürlich Kompromisse.

Rangierspiele muss man nicht unbedingt auf dem Computer machen. Wenn der Gleisplan groß genug gezeichnet wird, können die Fahrzeuge auch durch Streichhölzer oder Ähnliches dargestellt werden. Die bildliche Darstellung hat nur den Vorteil, dass man sich das Ganze immer wieder ansehen kann. Für Optimierungen kann das hilfreich sein.
Zum Herstellen solcher Bilder eignet sich fast jedes Billig-Mal-Programm, sofern sich die Objekte drehen lassen. Aber auch das ist nur wichtig, wenn es einigermaßen realistisch aussehen soll.

Herbert, mit Deiner Feststellung, dass das Vorbild wohl die ursprüngliche Lösung wählen würde, triffst einen wunden Punkt. Das habe ich befürchtet, da mir bei Durchsicht aller erreichbaren Schmalspurgleispläne keiner mit einer ähnlichen Gleisanordnung (halber Hosenträger) untergekommen ist.
Was bedeutet das für meinen Entwurf? Man kann natürlich mit Platzmangel argumentieren: Der Schmalspurbahnhof ist zwischen Normalspurbahnhof und Hafen eingeklemmt und deshalb ist dies die einzige Möglichkeit ein Abstellgleis unterzubringen. Mal sehen, ob mich das morgen immer noch überzeugt. Vielleicht verlege ich das Abstellgleis auch an das andere Ende der Bahn (da ist aber auch kaum Platz).
Bin gespannt, welche Lösungen sich sonst noch finden lassen.


Gruß
Rainer


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30.06.2008 22:33
avatar  OOK
#6 RE: Übergabebahnhof und Rangier-Gedankenspiele
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OOK

Hallo Rainer,
du hast uns ja deine Gedankenspiele durch deinen Vortrag am letzten BAE-Clubabend plastisch nahe gebracht. Da waren ja aber noch diverse Varianten in den Planentwicklungen, die du hier noch nicht gezeigt hast. Wie wär's?

OOK
Heute schon in den ADJ-Blog geschaut?
https://www.jaffas-moba-shop.de/anlagen-design-journal/

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