Hyperrealismus

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30.03.2017 08:36
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#26 RE: Hyperrealismus
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OOK

Zitat
"Eine Modellbahn-Anlage kann sehr wohl ein Kunstwerk sein und der Erbauer demnach ein Künstler. Eine Voraussetzung ist, das der Erschaffende nicht dilettiert, sondern sich so viele Kenntnisse über sein Sujet und so viele zum Thema gehörenden Fertigkeiten wie möglich aneignet und danach planvoll zu Werke geht." (Blaues Buch S. 21)


Für mich selber bedeutet das, dass ich versuche (!), in möglichst vielen Bereichen des Modellbahn-Hobbys einigermaßen gut zu sein. Das hat natürlich Grenzen. Wenn ich beispielsweise die wunderbaren Unterkonstuktionen in der Modellbahnpresse sehe, die einem Schreiner-Meisterkurs entsprungen zu sein scheinen oder die ordentlichen Verkabelungen, die jedem Elektroinstallateur Ehre mache würden, dann denke ich immer "au weia!" Das sind aber Gebiete, die man bei der Benutzung der Anlage, also beim Betrieb, nicht sieht.

Wenn ich andererseits ein anerkannt vorbildlich ausschauendes Gleis habe und ziemlich realistische Felsformationen, so liegt das weniger an irgendeiner speziellen Begabung, sondern am intensiven Studium der Vorlagen, also der Gleise und Felsen in der Realität und am entschlossenen Willen, es richtig gut zu machen.
Und wieder stoße ich an meine Grenzen, zum Beispiel bei der Gestaltung des "goldenen Fells des Harzes", also des so genannten Reitgrases, das in Herbst so golden wogt wie ein Weizenfeld, aber im Vorfühling nach der Schneeschmelze der Geländeform angepasst flach am Boden liegt. Da das die Jahreszeit ist, in der die BAE "spielt" versuche ich immer wieder, das nachzubilden - mit eher mäßigem Erfolg. Aber ich lasse nicht locker, vielleicht schaffe ich das eines Tages noch. Oder einer meiner Freunde.
Wenn das dann jemand Hyperrealismus nennen will, meinetwegen, soll er.

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01.04.2017 00:01
#27 RE: Hyperrealismus
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http://railomotive.com/2012/07/siemens-i...ystem-in-katar/

Während im obigen Artikel eine Aufladung der Bahnakkus an den Haltestellen über eine Deckenschiene erfolgt, werden seit Jahren in Duisburg (Kreuzung Kaiser-Wilhelmstraße/A42) und in Mülheim (Mülheim-Dümpten, Kehrschleife(!) Kreuzung Denkhauser Höfe/Mellinghofer Straße) von der Firma Alsthom Versuche mit einem Mittelleitergleis durchgeführt, welche mit Punktkontakten auf den Betonschwellen ausgerüstet sind.



Die Pukos sind übrigens auch auf Google-Earth aufgrund ihrer auffälligen Schattenbildung erkennbar.



Die von mir am vergangenen Dienstag gemachten Photos stammen aus Mülheim. Die Verkehrsbetriebe versprechen sich erhebliche Kosteneinsparungen beim Wegfall der Wartungsintensiven Oberleitung. Die Pukos werden aus Sicherheitsgründen durch das installierte Betriebsleitsystem nur in den Bereichen mit Spannung belegt, den die Bahn gerade verdeckt. Eine Übertragung der, aufgrund der kurzen Aufenthaltszeiten, relativ großen Ströme mit dem normalen Stromabnehmer mit Graphitschleifstücken wurde gleich zu Beginn der Versuche verworfen, da Kohlenstoffatome bei den hohen Temperaturen in den Fahrdraht diffundieren und dort zur Bildung einer eutektoiden Cu-C-Legierung mit niedrigem Schmelzpunkt führen, was letztlich zu einer Aufschmelzung des Fahrdrahtes führte.
Mir stellt sich jetzt die Frage, ob die Verwendung eines Schmalspurmittelleitergleises schon Hyperrealismus darstellt.


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01.04.2017 01:30
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#28 RE: Hyperrealismus
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JBS

:-)
Ja, das ist Hyperreal im Maßstab 87:1. Die Spannungsversorgung wird aber nur einmal im Jahr eingeschaltet.
Johann


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02.04.2017 08:51 (zuletzt bearbeitet: 02.04.2017 09:22)
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#29 RE: Hyperrealismus
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OOK

Das war ein sehr schön installierter Aprilscherz, vielleicht ein wenig zu offensichtlich, aber das mindert den Spaßfakor kaum.

Meine Frage ist: Wozu dienen denn diese Klammern um die Betonschwellen mit den "Pukos" drauf? Ich dachte zunächst an Wanderschutzklemmen, macht aber in der Ebene und in dieser Menge kaum Sinn.

Aber was anderes. Einen Mittelleiter, der unter dem fahrenden Zug stromführend ist, gab es schon in der Realität, und zwar bei bestimmten Strecken der Pariser Straßenbahn (vor dem Bau der METRO), wo Oberleitung nicht genehmigt wurde. Das war ein im Pflaster eingelassenes Schlitzrohr*, in dem eine Art Schiffchen lief, das am Kabel hinterher gezogen wurde. In Abständen gab es unterirdische Rotoren, die von Kontaktabschnitt zu Kontaktabschnitt weiter schalteten. So gesehen in einem dicken Wälzer über die Pariser Straßenbahn.

*sic, nicht Schlitzohr!

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02.04.2017 12:18
#30 RE: Hyperrealismus
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...Aber
für einen Aprilscherz ein Cu-C-Zweistoffschaubild zu bemühen, das ist schon ziemlich perfide.

Ein System, wie Du es beschreibst Otto, habe ich übrigens auch einmal auf einer Videokassete über die Londoner Straßenbahn gesehen.
An den Übergangsstaionen ging es eigentlich zu wie beim Hemmschuhlegen, die "Schiffchen" wurden manuell bereitgelegt und beim
Übergang auf die Oberleitung schossen sie hinter der Auswurfvorrichtung quer über die Straße.
Eigentlich ja mal was für Herrn Stellmaszyk......

Alex


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02.04.2017 14:52
#31 RE: Hyperrealismus
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Moin,

der Begriff Hyperrealismus ist für mich leider eine abwertende Beurteilung eines „Nietenzählers“. Aber sind wir nicht alle „Nietenzähler“, jeder auf seine Art und Weise? Man könnte es auch anders ausdrücken: Jeder setzt seine Schwerpunkte.

Detaillierung ist das eine. Je größer der Maßstab, desto genauer können Details nachgebildet werden. Die technischen Möglichkeiten der Zulieferindustrie und der Selbstbauer haben in den vergangenen Jahrzehnten ein Niveau erreicht, das vom menschlichen Auge ohne optische Hilfsmittel kaum noch zu würdigen ist. Mich persönlich begeistet diese filigrane Kunst. Sie dient als Maßstab des Machbaren und gleichzeitig als Ansporn. Möchte nicht jeder in seinem Metier besser sein als der Durchschnitt, oder zumindest nicht dem untersten Level angehören?

Die realistische Darstellung, das Wort Hyperrealismus möchte ich nicht weiter gebrauchen, stößt meiner Meinung heute nicht mehr in der Detaillierung an ihre Grenzen, sondern am verfügbaren Platz. Je jünger die favorisierte Nachbildungsepoche ist, desto mehr Fläche wird in der Regel benötigt, um eine bestimmte Szene darzustellen. Noch in Epoche 4 gab es Schnellzüge mit drei Wagen. Übergaben mit einem Waggon waren keine Seltenheit. Es gab Bahnhöfe, an denen ein einteiliger Vt 98 hielt, ein Stückgutwagen am Güterschuppen stand und auf der gegenüberliegenden Seite ein Brennstoff- oder Baustoffhändler seinen zugestellten Waggon entlud, während die Köf mit einem weiteren Waggon die Durchfahrt des Vt abwartete. Darstellbar ist diese Szene in H0 auf der Fläche eines kleinen Schreibtisches mit allen liebevollen Details, die es damals noch bei der Bahn gab.

Wer die heutige Zeit nachbilden möchte, muss meiner Meinung nach seine Prioritäten anders setzen, wenn er nicht nur einen öden Triebwagenhaltepunkt nachbilden will. Personenzüge unter 200 Meter Länge sind selten geworden. Güterzüge fangen in der Regel erst bei 400 Meter Länge an. Ganzzugverkehr bestimmt das Bild der heutigen Bahn. Um ein Terminal des kombinierten Verkehrs in 1:87 realistisch darzustellen, braucht man schon fast eine Turnhalle. Wenig anders ist es bei Industrieanschlüssen oder Hafengleisen, die heute noch per Bahn bedient werden. Meine Schussfolgerung für Epoche 6 ff -Bauer wäre eine Verkleinerung des Baumaßstabes. Spur Z ist da noch in vielen Fällen zu groß. 1:1000 würde den Platzverhältnissen einer Zimmeranlage, die die heutige Bahn und deren Umfeld halbwegs realistisch darstellen möchte, wohl schon eher gerecht.

Bei Maßstab 1:1000 würde beispielsweise die Kleineisendiskussion zumindest für die nächsten Jahre in den Hintergrund treten. Vorbildgerechter für die Umsetzung der heutigen Zeit wäre dieser Maßstab mit Sicherheit, es sei denn, man baut nur ein Diorama.

Zum Schluss noch ein Beispiel für den gestiegenen Flächenverbrauch aus dem Autoverkehr. Eine Landstraßenkreuzung 1950 mit Chausseewärterhaus lässt sich in 1:87 fast auf der Fläche eines DIN A4 Blattes darstellen. Für ein Autobahnkreuz benötigt man im selben Maßstab eine Fläche von 8 x 8 Metern. Das sind umgerechnet 50 Hektar oder in Epoche 3 ein riesiger Bauernhof.

Viele Grüße

Burkhard


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02.04.2017 16:00
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#32 RE: Hyperrealismus
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OOK

Zitat von Fischkopp im Beitrag #30
Eigentlich ja mal was für Herrn Stellmaszyk......
Wo du grad Stellmaszyk sagst, da fällt mir Helmut Schmidt ein. Nein, nicht der aus Hamborg, der aus Barsinghausen. Dessen Stand war auf der NUSSA 17 direkt neben unserem BAE-Stand. Und HS führte mir selbstbegeistert vor, wie das Garagentor langsam hoch ging, oh sorry, da habe ich in der Eile was übersprungen, vorher drehte sich noch der Griff des Garagentorschlosses um 90°. Nicht in H0 natürlich, sondern in 1:22,5 - wie der Herr Stellmaszyk.
Vor einigen Jahren zeigte HS mir sein 1:22,5 Büro mit der Tischlampe, die man durch Druck auf den im Fuß eingebauten Druckschalter ein- und ausschalten konnte.
Bei Stellmaszyk fällt mir als erstes die Bierflasche mit dem alten Bügelverschluss à la Flensburger ein, den man richtig öffnen konnte.
Das, ja das ist Hyperrealismus.

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02.04.2017 16:21
#33 RE: Hyperrealismus
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Naja,
eigentlich ja nicht, da es sich ja um das Modell einer Bügelflasche oder eines Büros handelt.
In diesem Falle wäre alles weniger detailierte sozusagen "inverser Hyperrealismus".
(Kann da jemand noch ein tolles Fremdwort für machen?)


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09.04.2017 12:08 (zuletzt bearbeitet: 09.04.2017 12:10)
#34 Pragmatic prototype modeling
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Zitat von Tony Koester, Trains of Thought MR 5/17
... Another good friend, Ray Breyer, offered him some advice that's worth sharing:
"If you want to be a 'protosincere' modeler,"Ray suggested, "there are a few things to keep in mind:

  • Do as much research as practical, and don't be afraid to ask questions.

  • Keep in mind that what reality looks like and what a model 'needs' to look like are actually two different things.

  • Stick firmly with your goal, which should be modeling a single year, or even a single month. Fewer distractions and alternatives mean faster progress!

  • Realize that you'll never know every little detail about what you want to build, and don't let that be a hindrance to your progress.

  • Don't be afraid to do something one year and go back and fix mistakes a few years down the road.

  • Be a pragmatic modeler. Be as accurate as your time, finances, skills, knowledge, and artistic vision allow.

  • Finally, keep in mind that you can never actually model each and every rivet, and that you don't actually need to, especially once the trains finally start rolling



  • Interessant finde ich den 2. und die beiden letzten Sätze!

    Grüße Hubert

    "Sir, we are surrounded!" - "Perfect, so now we can attack in every direction!"

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    09.04.2017 13:27
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    #35 RE: Hyperrealismus
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    Zitat von Pfalzbahn im Beitrag #34
    Interessant finde ich den 2. und die beiden letzten Sätze!
    Das könnte ich genauso sagen, vermute aber, dass wir dennoch nicht das Gleiche meinen. Und das darf ja auch so sein.
    Im Übrigen finde ich alle sieben Punkte interessant und beherzigenswert.

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